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Gedenken am Tag für die Opfer von Chemie-Waffen

AUFRUF
Stärker als je zuvor geht das NATO Mitglied Türkei gegen Kurdistan und die Freiheitsbewegung vor. Dabei schreckt die Türkei nicht vor Kriegsverbrechen zurück. In den letzten Monaten häufen sich die Berichte über den Einsatz chemischer Waffen. Die internationale Gemeinschaft, Staaten und zuständige Institutionen schweigen und ignorieren die Beweise für den massiven Gebrauch von chemischen Waffen. Wir sehen die Verbrechen! Wir werden die menschenrechtswidrigen Angriffe der Türkei und die Mittäterschaft des deutschen Staates nicht verschweigen. Wir fordern aktive Untersuchung der Vorfälle durch die verantwortlichen Institutionen wie OPCW, Organisation für das Verbot chemischer Waffen.

Aus diesem aktuellen Anlass fordern wir alle solidarischen Menschen in Göttingen auf, am 30.11, UN- Gedenktag für die Opfer chemischer Kriegsführung, mit uns zusammen zu kommen. Wir wollen einausdrucksstarkes Zeichen gegen jegliche Form von Besatzung, Duldung und Mittäterschaft an Kriegsverbrechen und Feminiziden setzen. Je mehr wir sind, umso deutlicher können wir ein Zeichen der Solidarität mit den kämpfenden Menschen in Kurdistan für eine geschlechterbefreite, ökologische und demokratische Gesellschaft setzen.

Rede zum Gedenken an die Opfer von Chemiewaffen, 20221130

Quelle: linksunten

BERICHTE
Göttinger Gedenkkundgebung an die Opfer von türkischen Giftgas in Kurdistan, ANF, 01.12.22
Kundgebung am Mittwoch – Aus: “Defend Kurdistan” besetzt erneut Parteizentrale in Göttingen, GT, 01.12.22

Die Falle (Aufführung vom Theater für Bewegungsfreiheit)

Das Theaterstück ist eine Geschichte über die geschlossene EU-Außengrenze und ihre Missverständnisse. Man kann nicht an der Küste leben, ohne die andere Seite wenigstens einmal gesehen zu haben. In Tanger, Algier oder Tunis sitzen selbst die Katzen im Hafen und schauen auf die andere Seite. Alle wollen dahin. Die meisten träumen davon…
Die jungen Leute, die es schaffen in Europa zu landen, versuchen alles, um nicht wieder mit leeren Händen zurückzukehren. Illegalität, Kriminalität und die ständige Angst abgeschoben zu werden sind ihr Alltag.

Riadh Ben Ammar ist Anfang der 2000er Jahre von Tunesien nach Deutschland gekommen. Lange war er in einem Flüchtlingslager in Mecklenburg-Vorpommern untergebracht, heute lebt er zwischen Tunesien und Deutschland und ist einer der Gründer von Afrique-Europe-Interact.
Seit vielen Jahren führt Riadh Theaterstücke im auf. Sein erstes Stück “Hurria!” handelte vom arabischen Frühling in Tunesien und was dieser mit der Forderung nach Bewegungsfreiheit zu tun hat – inzwischen sind mehrere Theaterstücke dazugekommen.
Riadh präsentiert seine Theaterstücke nicht nur auf klassischen Theaterbühnen, sondern spielte auch breits in Parks, Schulklassen, Hinterhöfen, auf Kundgebungen und Konferenzen…
Die verganenen Monate hat er genutzt um in Tunesien gemeinsam mit anderen Aktivist*innen der Gruppe Sans VISA Unterstützungsstrukturen für Abgeschobene aufzubauen. Nun kehrt er zeitweise nach Deutschland zurück und präsentiert sein aktuelles Stück “Die Falle”.

Die Aufführung findet statt am Freitag, 18.11.22, Saal der OM10, Beginn 19 Uhr und dauert etwa 1,5h. Danach gibt es noch Raum für Austausch und Diskussionen. Der Eintritt ist frei.

Die Veranstaltung findet in Kooperation mit der Regionalen Bildungsstelle Nord des bundesweiten Bildungsprogramms Bildung trifft Entwicklung und des Programmes Junges Engagement statt.

Ehem. JVA besetzt: I. Communique der Autonomen Stadtverwaltung Göttingen

Wir solidarisieren uns mit den Besetzer*innen und dokumentieren hier ihre Stellungnahme vom 03.10.22!

I. Communique der Autonomen Stadtverwaltung Göttingen

The biggest problem facing direct action movements is that we don’t know how to handle victory. We always get taken by surprise by the speed of our initial success. We are never prepared for victory. It throws us into confusion.
– David Graeber, the shock of victory.

Ab heute ist die alte JVA in der Oberen-Masch-Straße besetzt. Es mag nun so erscheinen, als wäre die Besetzung der JVA nichts weiteres als eine kurzlebige Aktion versprengter Einzelpersonen, und als würden wir ein bisschen Aufmerksamkeit in den Zeitungen gegen eine weitere Repressionswelle tauschen. Wir Besetzende schreiben diesen Text in der Erwägung, dass durch unsere Besetzung der JVA tatsächlich Vieles zu gewinnen ist.

Da darf nichts falsch verstanden werden – dass wir geräumt werden, ist uns fast eine Gewissheit. Und dennoch sind wir da. Denn es mag zwar das kurzfristige Ziel, ein besetztes Gebäude in die Hand des Kiezes zu überführen, vergebens erscheinen. Doch der Kampf um das Gebäude kann uns mittelfristig ein ganzes Stück weit tragen.

Die alte JVA steht seit sehr langem leer, und gerade in den letzten Jahren versuchen Initiativen, die aus linken Göttinger Gruppen und der Nachbarschaft hervorgehen, in dem alten Gebäude einen sozialen und solidarischen Raum zu gestalten. Doch die Stadt hat andere Pläne: In die alte JVA soll ein neoliberaler Thinktank einziehen, das Gebäude soll für schlappe 50 000 Euro verkauft werden. Es gilt anzuerkennen, dass es hier nicht bloß um einen Interessenkonflikt zwischen der Stadt und der Nachbarschaft, dem Kiez geht, sondern um eine konkrete Ausformung von Gentrifizierung und rassistischer Verdrängungspolitik: der Konflikt um die alte JVA ist ein intersektionaler Konflikt.
Der Kiez um die Obere-Masch-Straße herum ist ein weniger wohlhabender, und migrantisch geprägter Teil der Stadt. Die Menschen, die hier leben, die ihr Leben hier gestalten, nehmen sich hier auch den Raum, den sie brauchen, sei es am Waageplatz, sei es durch die Etablierung der OM10. Das Soziale Zentrum wäre ein weiterer Teil der Aneignung des Stadtteils von den Menschen, die hier auch leben; eine solidarische Gestaltung eines Gebäudes in einem Stadtteil weniger privilegierter, entsprechend der Bedürfnisse und der Wünsche der Menschen unmittelbar vor Ort. Aber gerade in letzter Zeit häufen sich rassistische Polizeikontrollen am Waageplatz – der Stadtteil soll schick gemacht werden für die, die mit ihm eigentlich nichts zu tun haben, und sowieso schon alles haben, für die, die weiß, wohlhabend, gebildet sind. Für die, die dem kapitalistischen, deutschen Ideal entsprechen. Der Verkauf der JVA an Traffohub ist damit eine weitere Eskalation der Verdrängung von prekär-gestellten Menschen aus ihrem eigenen, von ihnen geprägten Kiez. Ein weiterer Höhepunkt der Gentrifizierung im Sinne der kapitalistischen ‘deutschen Leitkultur’.

Über das Kiez hinaus kann es insgesamt für Göttingen, und damit auch für uns als linke Szene in Göttingen der Anfang einer Veränderung bedeuten, wenn krass kapitalistische Strukturen einen großen Raum mitten in der Stadt gewinnen.

In Solidarität mit dem Kiez und dem Sozialen Zentrum, und mit dem Konflikt, den sie führen, haben wir die ehemalige JVA besetzt. Unser Anspruch ist hier klar, eine Brücke zwischen den Leuten im Kiez und der linken Szene Göttingens zu schlagen. Hierfür wollen wir mit der besetzten JVA einen Ort der Begegnung, einen Ort der unmittelbaren Öffentlichkeit erschaffen, an dem sich die Konflikte des Stadtteils und die Kämpfe, die wir als Linke führen, ganz konkret eine Sichtbarkeit zu verleihen: Wir wollen die JVA zu einem Kristallisationspunkt machen.

Was bedeutet es für diesen Konflikt, und für uns als Linke, dass es (zumindest für eine kurze Zeit) einen solchen Kristallisationspunkt mitten in der Stadt gibt?

Wir handeln aus Solidarität mit dem Kiez heraus, sind aber selbst nicht Teil dessen, und wollen uns nicht anmaßen, hier für andere zu sprechen. Wichtig ist gerade deshalb, dass wir den Kampf, der um das Gebäude herum entsteht, gemeinsam mit und für die Anwohner:innen führen – zugleich aber unsere eigene linksradikale Perspektive nicht untergeht.

• Die Besetzung bedeutet in vorderster Linie, dass der linke Kampf gegen Gentrifizierung, und in Erweiterung dessen gegen das Kapital an sich, nun an Sichtbarkeit gewinnt – wo wir sonst jenseits unserer Demos, unserer medialen Solidaritätsbekundungen zu oft in der Unsichtbarkeit verharren. Das Stadtbild an diesem Ort aktiv zu prägen kann eine Ermächtigung sein; es bietet uns die Möglichkeit, Kämpfe sichtbar zu machen, wo sie sonst schattenhaft verbleiben.

• Einen Ort des Kampfes kann zugleich eine temporäre Zone eröffnen, in welchem wir uns in einem gelebten, kämpferischen, linken Kontext begegnen, an dem viele Menschen in Göttingen eine Bindung zu einem besetzten, angeeigneten Ort schließen können – einen Ort, wo unser Kampf und unsere Begegnungen körperlich werden. Hierfür ist in erster Linie notwendig, dass auch viele Menschen vorbeikommen, dass es Leute gibt, die Lust haben den Ort mit zu beleben und zu prägen; bei der Mahnwache einen Kaffee trinken, die Hauswände anmalen, sich abends an die Feuertonne sitzen, … Solches Beleben der JVA könnte des Weiteren dazu beitragen, die Cops zu verwirren, und die Illegalität unserer Aktion zu normalisieren.

• Mit der Erschließung und Erarbeitung eines Ort des Konflikts zeigen wir uns selbst, dass unser Widerstand auch viel direkter möglich ist; und bewegen uns (auch in diesem Kampf) aus unseren Szene-Räumen, unseren allzu gewohnten Demonstrationen hinaus, greifen nach unseren Utopien mitten in der Göttinger Innenstadt.

Dieser Ort des Kampfes wird uns letzten Endes von Broistedt und ihrem #Polizeiproblem entrissen werden. Eine Räumung zu verhindern ist nicht realistisch, darüber müssen wir uns im klaren sein. Dennoch können wir ermächtigt aus der Situation herausgehen, weil das Anrücken von den Cops uns um einen konkreten, sichtbaren Kampf herum sammeln kann, weil wir uns gemeinsam als Linke dem Staat und dem Kapitalismus in den Weg stellen können, und insgesamt an einer kollektiven widerständigen Erfahrung teilhaben können. Bei einer Räumung wird alles gefragt sein, und es sollte auch alles legitim sein. Sei es Lautstärke, Sitz- oder Kletterblockaden, Gesa-Support, oder andere Formen des Widerstands.

Schaffen wir es, gemeinsam mit dem Kiez, über unsere Strukturen und Organisationen hinweg, in den Tagen vor und während der Räumung spontan und kraftvoll einen sichtbaren Widerstand auf die Straße zu tragen; durch direkten Austausch und gemeinsames Prägen eines Ortes mit anderen, an diesen Ort gebundenen Menschen, können wir uns so weit ermächtigen, dass der Kampf gegen die Gentrifizierung nach der Räumung weitergeführt wird, und wir als Linke an Initiative gewinnen, endlich in Bewegung kommen.

Die Kraft unserer Besetzung der JVA liegt weniger in der Möglichkeit, kurzfristig der Stadt ein Gebäude zu entreißen, sondern vielmehr darin, dass wir unsere Szene-Gebundenheit auflockern und über die Fragmentierung der kapitalistischen ‘Gesellschaft’ hinweg Gemeinschaften, Vernetzungen schließen, sowie dass wir uns selbst als Szene ermächtigen. Und es besteht die Chance, dass wir letzten Endes mittelfristig auch schaffen, Ziele tatsächlich zu erreichen. Solche Ziele wären etwa das Wiedergewinnen verschiedenster Aktionsformen, Orten der Gentrifizierung effektiv das Leben schwer zu machen, weitere Besetzungen zu ermöglichen und die Kraft zu haben, sie zu unterstützen, weitere Orte tatsächlicher und unmittelbarer Begegnungen zu schaffen, und schließlich die Stadt dazu zu zwingen, ihre kapitalistische Stadtpolitik aufzugeben.

Einstellung ohne Auflage – Widerstand gegen staatliche Willkür bleibt zwingend notwendig

Kriminalisierung von Polizei und Justiz nach Abschiebeblockade läuft ins juristisch Leere

Am 05.09.22 endete das Berufungsverfahren von R. anlässlich einer Anti-Abschiebeblockade vor dem LG Göttingen mit einer Einstellung ohne Auflage. Die Verhandlung dauerte nur wenige Minuten, die wartenden Polizeizeugen wurden gar nicht vernommen. R. war der letzte in einer Reihe von Angeklagten, dessen Kriminalisierung vier Jahre nach der Abschiebung von Willard Gondo am 24. Mai 2018 noch andauerte.

Ein Grund zur Freude? Jein.
Mit Blick auf den Moment ist es ein juristischer Erfolg, dass das vorangegangene Urteil des Amtsgerichts gegen R. über 60 Tagessätze kassiert und das Verfahren eingestellt wurde. Allerdings zeigt sich auch mit nüchterner Klarheit der Schaden, den Ausländerbehörde, Polizei und Justiz angerichtet haben:

– Willard wurde am 24. Mai 2018 unter Zuarbeit von Pascal Comte (DRK) in der Massenunterkunft Siekhöhe von der Polizei festgenommen und in die Polizeidirektion Groner Landstraße verbracht. Die Polizeimaßnahme war rechtswidrig, wie das LG Göttingen drei Monate später feststellte.

– Bei dem Versuch von über 120 Protestierenden, Willard die Durchsetzung seiner Rechte zu ermöglichen und mit einer Blockade der Polizeistation seine Abschiebung zu verhindern, wurden acht Ermittlungsverfahren eingeleitet, sieben kamen zur Anzeige. Daraus folgten ein Freispruch, eine Ermahnung, alle anderen Verfahren wurden gegen Auflage eingestellt. Gestern kam es vor dem Landgericht zur letzten Einstellung – ohne Auflage.

– Die hinzugezogenen Polizeikräfte setzten am 24. Mai 2018 gegen die Blockierer*innen Tritte, Schläge, Kniffe und Pfefferspray ein. Dieses aggressive Vorgehen blieb ohne Konsequenzen.

– Drei Protestierende wurden im Verlauf der Blockade Ingewahrsam genommen. Diese Freiheitsentziehungen waren rechtswidrig, wie das OLG Braunschweig fast drei Jahre später feststellte.

– Willard wurde am 25. Mai 2018 von Berlin nach Norwegen abgeschoben (Dublin-Verordnung). Er ist aktuell auf einer Insel im hohen Norden untergebracht und wartet nach vier Jahren immer noch auf den Ausgang seines Asylverfahrens. Ihr Lebensträume-zerstörendes Vorgehen interessiert die Göttinger Ausländerbehörde nicht mehr, Willard war für die Behörde wie alle anderen auch nur ein Aktenzeichen.

Unterm Strich bleibt ein weiterer Fall von widerlich brutalem Umgang mit Menschen, die ihren Lebensort und ihre Freundschaften selbst bestimmen wollen. Und trotz der juristischen Freisprüche und Einstellungen bleibt wieder einmal eine bemerkenswerte tatsächliche und versuchte Kriminalisierung von solidarischen Menschen, die sich gemeinsam gegen staatliche Angriffe verteidigen. Der Ausgang der juristischen Verfahren wird keine Auswirkung auf die Strategie der Polizei haben, bei nächster Gelegenheit wieder zu provozieren und zu eskalieren.

Wir warten auf Willard und alle, die gerne in Göttingen geblieben wären und noch kommen wollen!
Wir werden uns gegen Abschiebung und Kriminalisierung solidarischer Bewegungen auch in Zukunft zusammenschließen und wehren!

Aufruf zur solidarischen Prozessbegleitung 05.09.22

Erneuter Prozess wegen Abschiebung von Willard
Aufruf zur solidarischen Prozessbegleitung
Montag 05.09.22 | 8:30 Uhr | Landgericht Göttingen

Am Montag, 5. September 2022, wird vor dem Landgericht nochmals gegen R. verhandelt. In dem Berufungsverfahren geht es darum, ob R. während einer inzwischen vier Jahre zurückliegenden Anti-Abschiebe-Blockade Widerstand gegen Polizeieinsatzkräfte geleistet hat. R. ist der letzte von den insgesamt sieben im Zusammenhang mit der Abschiebung Angeklagten – für ihn ist das juristische Nachspiel noch nicht zu Ende.

Was war?

Am 24. Mai 2018 wurde Willard Gondo rechtswidrig in der Göttinger Massenunterkunft Siekhöhe festgenommen und anschließend nach Norwegen (Dublin-Verordnung) abgeschoben. Dabei verlief die Abschiebung für die Polizei wieder mal nicht wie geplant. Hatten sich doch in kürzester Zeit empörte und auf die menschenrechtsverachtende Praxis der Abschiebebehörde wütende Freund*innen und Unterstützer*innen vor dem Polizeigebäude in der Groner Landstraße versammelt. Letztlich kamen über 120 Protestierende zusammen und blockierten über Stunden die Ausfahrt des Dienstgebäudes. Lange gab es die Hoffnung, Willard die Chance zu ermöglichen, gegen seine rechtswidrige Festnahme juristische Mittel einzulegen und die Abschiebung zu verhindern. Drei Monate später bestätigte zwar das Landgericht Göttingen, dass Willards Festnahme und Verbringung ohne Rechtsgrundlage durchgesetzt wurden. Für ihn hatte das aber keine Konsequenzen mehr. Sein Asylverfahren in Norwegen läuft nun schon über vier Jahre, er ist auf einer Insel im Norden untergebracht. Willard wünscht sich immer noch, nach Göttingen zurückkehren zu können.

Im Zuge der Blockade kam es zu Geschiebe und Gerangel. Die Einsatzkräfte, welche im Verlauf des Tages Verstärkung aus Hannover und Osterode bekamen, unterließen keine Gelegenheit zu provozieren: Mit Treten, Boxen, schmerzhaftem Kneifen und dem Einsatz von Pfefferspray sorgten sie für ein gereiztes Ambiente. Und dann sollte sich der Einsatz der extra angekarrten Hundertschaft wohl auch lohnen. Nach nur knapp einer halben Stunde ihres Aufmarsches begannen die Festnahmen. Mal hier eine, mal da eine. Gegen sieben Personen wurden schließlich Strafverfahren eröffnet. Eine von ihnen ist der Aktivist, der am 05.09. nochmals vor Gericht steht.

Das juristische Nachspiel

… zeigt das fiese und niederträchtige Vorgehen der an Willards Abschiebung beteiligten Behörden und Institutionen. Zunächst: Die gerichtlich bestätigte rechtswidrige Festnahme und Verbringung von Willard wurde bereits erwähnt. Dann: Die zentralen Anklagepunkte gegen die sieben Aktivist*innen waren immer auch Widerstand (§113) oder Tätlicher Angriff auf Vollstreckungsbeamte (§114). Doch in keinem der anderen sechs Verfahren wegen der Blockade gab es am Ende eine Verurteilung. Eine Person erreichte einen glatten Freispruch, die anderen Verfahren wurden ziemlich schnell gegen Zahlungen an gemeinnützige Vereine eingestellt. Schließlich: Drei Personen haben Klage gegen ihre Ingewahrsamnahmen während der Blockade-Aktion eingelegt. Das OLG Braunschweig gab ihnen Recht, die Polizeidirektion Göttingen erhielt einen Rüffel und bekam die Kosten des Verfahrens aufgebrummt.

Fazit

Nachdem nun alle Verfahren nahezu abgeschlossen sind, scheint sich an den Verhältnissen nichts geändert zu haben: Willard und viele weitere tausend Menschen sind nicht mehr an dem Ort, an dem sie mit viel Hoffnung angekommen sind und leben wollten. Polizeiübergriffe und juristische Verfahren bedeuten für betroffene Aktivist*innen immer auch Stress, Kosten und Energie. Der sog. Schubs-Paragraf §113 StGB ermöglicht Bullen immer noch, wozu er gemacht wurde: Aufmischen, um Festnahmen und folgende Strafverfahren zu kreieren – ein Allround-„Erziehungsmittel“ gegen Soziale Bewegungen, Fußballfans, Partyfeiernde, Migrant*innen…

Doch eine solche Erzählung wäre nicht vollständig: Menschen auf der ganzen Welt kämpfen für Bewegungsfreiheit, ein gutes Leben für Alle und haben große Unterstützungsnetzwerke. Soziale Bewegungen verteidigen sich effektiv gegen verheerende patriarchale, soziale und ökologische Verhältnissen und schaffen Alternativen. Nicht zuletzt stellen wir unsere Solidarität gegen ihre staatliche Repression und faschistische Angriffe.

Kommt zum Landgericht: Es gibt Infos, Kaffee und Zuschauer*innenplätze.

Alarm Phone Sahara Infotour

Sonntag, 3. Juli 2022, 18 Uhr, Saal OM10 (Obere-Masch-Str. 10)
auf Einladung von Jugendzentrum Innenstadt e.V. und Our House e.V.

Die Grenzen, die die europäischen Staaten gegen Migrant*innen und Flüchtende hochziehen, verlaufen längst nicht mehr nur an den EU-Außengrenzen, sondern weit darüber hinaus, u.a. durch viele Länder auf dem afrikanischen Kontinent. Dieses repressive Grenzregime schafft lebensgefährliche Bedingungen und lässt Menschen nicht nur im Mittelmeer und im Atlantik sterben, sondern auch auf den Reisewegen durch die Sahel-Staaten und Nordafrika. Es führt zu brutalen Massenabschiebungen zwischen afrikanischen Staaten und zur Internierung von Migrant*innen und Flüchtenden in Folterlagern in Libyen. Zudem sorgt es dafür, dass tausende von Menschen, denen ein Weiterkommen versperrt ist, mit leeren Händen und unter prekären Bedingungen in Ländern wie dem Niger, einem der ärmsten Länder der Welt, festsitzen.
Die historisch seit langem bestehende zirkuläre Migration insbesondere in sowie zwischen West- und Nordafrika wird dadurch immer mehr eingeschränkt. Folglich zerstört diese von der EU durchgesetzte Politik in kolonialer Tradition an vielen Orten wirtschaftliche Existenzgrundlagen und damit das Leben der Menschen aus diversen Regionen.

Das Alarme Phone Sahara (APS) setzt diesem brutalen EU-Grenzregime in Agadez und an anderen Orten im Norden Nigers solidarische Intervention entgegen. Moctar Dan Yayé und Azizou Chehou des APS Niger werden auf ihrer Info-Tour von Hintergründen und aktuellen Entwicklungen in Niger zur repressiven Migrationspolitik und von ihrer alltäglichen Arbeit berichten.

WEB HTTPS://ALARMEPHONESAHARA.INFO
FB @ALARMEPHONESAHARA
TWITTER @ALARMEPHONES

Göttinger*innen an der Einreise nach Rojava gehindert!

Wir dokumentieren hier die ausführliche Pressemitteilung der Internationalen Arbeitsbrigade, welche heute am 6. Juni 2022 an der Einreise in die Autonome Selbstverwaltung Nord- und Ostsyrien gehindert wurde. Zwei Internationalist*innen aus Göttingen nehmen an den Arbeitsbrigaden teil, um von den Menschen in den selbstverwalteten Gebieten Kurdistans zu lernen und um Öffentlichkeit zu schaffen für die Unterdrückung der Kurd*innen, ihr Recht auf Selbstbestimmun sowie den völkerrechtswidrigen Angriffskrieg der Türkei.
Weitere Informationen:
Dossier über türkische Kriegsverbrechen und den Einsatz von Chemiewaffen, Mai 2022
Internationale Brigade bricht nach Rojava auf, anf, 06.06.2022
Internationale Arbeitsbrigade an der Einreise nach Rojava gehindert, anf, 06.06.2022

** Pressemitteilung der Internationalen Arbeitsbrigade, 06.06.22, Südkurdistan/Irak **

Am Mittag des 6. Juni 2022 wurde eine Gruppe der Internationalen Arbeitsbrigade am Grenzposten Sêmalka zwischen der Region Kurdistan-Irak und der Autonomen Selbstverwaltung Nord- und Ostsyrien (AANES) durch Grenztruppen aufgehalten. Die Gruppe besteht aus mehreren Dutzend internationalistischen Freiwilligen aus Europa und Nordamerika. Sie wurden trotz gültiger Papiere und wider dem Völkergewohnheitsrecht von Grenzposten der kurdischen Regionalregierung im Nord-Irak am Grenzübertritt in die AANES gehindert.
Seit die Region vom IS befreit wurde nutzt die Türkei und die Regierungspartei im Nord-Irak, KDP, die Nichtstaatlichkeit der demokratischen Selbstverwaltung als Vorwand um Waren- und Personenverkehr stark einzuschränken.
Konkret bedeutet das für die Bevölkerung vor Ort, dass die Versorgung mit notwendigen Gütern, wie Essen und Medizin und ein freies Reisen stark eingeschränkt ist.

Ein Ziel der Internationalen Arbeitsbrigade ist von den Menschen in den selbstverwalteten Gebieten Kurdistans zu lernen, die einen demokratischen Konföderalismus anstreben, der auf Frauenbefreiung, Ökologie und Selbstverwaltung aufbaut.
Ein weiteres Ziel ist in der internationalen Öffentlichkeit Aufmerksamkeit zu schaffen für die Unterdrückung der Kurd*innen, ihr Recht auf Selbstbestimmung und den völkerrechtswidrigen Angriffskrieg der Türkei.

Menschen in der gesamten Region leiden seit einigen Jahren durch von der Türkei ausgehende und gezielt die Zivilgesellschaft treffende Embargos, Militärschläge und Terrorismus. Vor einigen Tagen bestärkte die türkische Regierung nun erneut ihren Plan eine 30 Kilometer breite „Sicherheitszone“ innerhalb der AANES durchzusetzen. Die Türkei versucht hier erneut ihren Status als NATO-Mitglied zu nutzen, um Völkermord an den dort ansässigen Kurd*innen zu begehen, sowie die demokratische Selbstverwaltung der Gesellschaft und die feministische Befreiungsbewegung zu zerschlagen.

„Wir als Internationale Arbeitsbrigade verurteilen diese erneut aufflammenden Aggressionen aufs Schärfste. Es ist verabscheuungswürdig, dass sich ein Staat hinter seiner NATO-Mitgliedschaft verstecken kann, um ungestört Gräueltaten zu begehen.“ sagt Maria Schneider, eine Teilnehmerin der Brigade dazu.
Die internationale Arbeitsbrigade verurteilt außerdem die Kollaboration der KDP mit der Türkei und die Unterstützung durch westliche Länder wie Deutschland. Deutschland schweigt nicht nur zu völkerrechtswidrigen Angriffen, sondern sogar zu Kriegsverbrechen, wie dem verbotenen Einsatz von Giftgas und Angriffen, die sich gezielt gegen Zivilist*innen richten. Trotz der andauernden türkischen Invasion liefert Deutschland weiterhin Waffen an den NATO-Partner, unterstützt die türkische Regierung in der EU und NATO und kriminalisiert kurdisches Leben in Deutschland unter dem Vorwand des PKK-Verbots.
So wird die Faschisierung der Türkei von anderen NATO-Staaten akzeptiert. Auch der Missbrauch des Veto-Rechts der Türkei im NATO-Aufnahmeprozess von Schweden und Finnland zur Durchsetzung der Kriminalisierung von Kurd*innen, führt zu keinem Aufschrei.

Der Krieg den die Türkei gegen die kurdische Selbstverwaltung führt, war schon vor Kriegsbeginn in der Ukraine von NATO-Staaten mitgetragen worden. Nun kann Erdogan im Schatten des Ukraine-Krieges die Bevölkerung im Nord-Irak und in Nord-Ost-Syrien terrorisieren und sich dabei auf seine Machtposition innerhalb der NATO verlassen.

„Wir als Arbeitsbrigaden rufen alle Internationalist*innen und Demokrat*innen dazu auf, Widerstand gegen den türkischen Angriffskrieg, das Embargo gegen Rojava und die Kriminalisierung der Kurdischen Freiheitsbewegung zu leisten. Wir fordern ein Ende der Kollaboration der KDP mit dem türkischen Angriff und Frieden in Kurdistan“, sagt Maria Schneider.
Obwohl sie an der Grenze zurückgewiesen wurden, sind die Freiwilligen der Arbeitsbrigaden motiviert die demokratischen Ideen der kurdischen Freiheitsbewegung in ihre Heimatländer zurückzutragen.