Redebeitrag der OM10 zur Demo „Grenzen auf – Jetzt!”

Redebeitrag der OM10 zur Demo „Grenzen auf – Jetzt! Stoppt den Krieg gegen Geflüchtete. Alle zusammen gegen den Faschismus!“ vom 5. März 2020 in Göttingen.

Wut und eine Portion Ohnmacht angesichts der fatalen Situation 10.000er Menschen an der griechisch/türkischen Grenze ringt uns heute wieder auf die Straße. Wenn Menschen im Mittelmeer ertrinken, werden von der EU Schiffe, Flugzeuge und Unterstützung abgezogen oder blockiert.Wenn Menschen auf der Flucht vor EU-Grenzzäunen stehen werden Militär. Polizei, Blendgranaten, Helikopter, Schnellboote und hunderte von Millionen Euros ruckzuck bereit gestellt! Von einer EU, die vor wenigen Jahren den Friedensnobelpreis bekam.

Das, was jetzt an der griechisch-türkischen Grenze massiv passiert, geschieht im Kleinen und im Verborgenen gehalten tagtäglich entlang der europäischen Außengrenze. Trotz unzähliger Proteste, Demos und gestarteter Initiativen in den letzten vier, fünf Jahren ist es noch nicht gelungen, Europa für die Menschen zu öffnen, Waffenlieferungen wirksam zu blockieren und genügend Druck gegen die menschenverachtende Wirtschaftspolitik der Pfeffersäcke und Bonzen zu entwickeln. Das ist für uns, die wir hier stehen, auch eine schmerzliche Niederlage in unserem Fight um eine freie, solidarische und egalitäre Gesellschaft. Bitter ist es zu sehen, wie 1000fache Hoffnungen in Tränengasnebel und Gummigeschossen untergehen. Die Arroganz und Scheinheiligkeit der mitverantwortlichen Politik*erinnen ist nicht zu ertragen und die vor dem Natodraht stehenden Menschen tief verletzend.

Ebenso niederdrückend ist es die Nachricht zu hören, dass viele Helfer*innen vor Ort au den griechischen Inseln wegen gewalttätigen Angriffen durch rassistische Bürgerwehren ihre Unterstützung von Geflüchteten abbrechen mussten. Auch für sie gibt es keine Schutz mehr. Im Gegenteil: Der griechische Ministerpräsident lobte neben dem Militär und der Grenzpolizei auch die Bürgerwehren, welche aktiv dazu beigetragen haben, Refugees zurück zu drängen. Da wird auch diesem faschistischen Mob der Rücken straffrei gehalten, solidarische Netzwerke zu zerkloppen. Und Ursula von der Leyen unter Anderen stellt sich ausdrücklich hinter das harte Vorgehen der griechischen Regierung. Heimatminister Seehofer fordert: Zuerst gelte es die Ordnung an der Grenze herzustellen – dann könne man sich der humanitären Lage zuwenden. Hallo? Vielleicht sollten wir mal diskutieren, ob wir nicht die hiesigen Gesetze plus der bürgerlichen Moral bei der Wahl der Mittel im Fight um eine gerechtere Zukunft unterordnen müssen.

2020 ist 2015! Die Grenzen müssen auf! Jetzt! Menschen auf der Flucht muss Aufnahme und Schutz gewährt werden! Wer meint da eigentlich in unserem und im Namen vieler, vieler heir lebenden Menschen sagen zu dürfen „2015 darf sich nicht wiederholen.“? Diejenigen, die das jetzt predigen, befeuern schon wieder islamfeindliche rassistische Lager. Wohin das führt, zeigte sich erst kürzlich in dem Terroranschlag in Hanau und den unzähligen An- und Übergriffen auf Moscheen, Shisha-Bars und „ausländisch“ wirkenden Mitmenschen! Diese Forderung ist der gleiche Dreck aus der Mitte der Parteien wie damals als es hieß: „Das Boot ist voll.“ usw. Wir sagen: 2020 muss wie 2015 werden! Refugees Welcome!

In den letzten Jahren wurden viele Erfahrungen gesammelt und einiges erfolgreich auf die Beine gestellt. Ein Projekt darunter ist Our House OM10 hier in Göttingen. Es entstand aus der dramatischen Situation während des Migrationssommers 2015. Und seit dem Aufbrechen der Türen des damals leerstehenden DGB-Hauses ist die OM10 sowohl für Geflüchtete als auch für die politische Szene in Göttingen und darüber hinaus ein wichtiger Ort. Durch den Entschluss, per Hausbesetzung Wohnraum zu schaffen, konnten wir unsere Ohnmacht und Wut in kollektives Handeln umwandeln und solidarisches Miteinander verwirklichen. Das tat gut und gibt immer noch Kraft und Energie weiterzumachen. Aber wir müssen mehr als nur punktueller Ort sein. Deshalb lasst uns weiterhin in Bündnissen wie „Seebrücke“ und „Solidarity City“ unsere Kräfte bündeln und auf diese Weise Städte und Gemeinden in wirklich sichere Häfen umwandeln. Kommunale Politiker*innen ermuntern und stärken eine Politik der Aufnahme, des Abschiebestopps und der sozialen Umverteilung von oben nach unten mit durchzusetzen.

Wir brauchen eine breite gesellschaftliche Transformation, in der dann u.a. rassistische Bürgerwehren und faschistische Cops keinen Fuß mehr auf den Boden kriegen.

Hoch die internationale Solidarität!