Kritik an Zuständen in der Voigtschule: Gegen Abbügeln und Wegmoderieren

Siehe auch: Unsere Soli-Erklärung gegenüber den Ehrenamtlichen und Geflüchteten in der Voigtschule

Ehrenamtliche Helfer_innen haben massive Kritik an den Zuständen in der derzeit als Geflüchtetenunterkunft genutzten ehemaligen Voigtschule in Göttingen formuliert.1 Die Reaktionen und das bisherige Verhalten der Stadt sowie der Betreibergesellschaft Bonveno gGmbH wecken wenig Hoffnung in Hinblick auf eine tatsächliche Verbesserung der Situation: Die Forderungen der Helfer_innen werden abgebügelt und wegmoderiert. Das Projekt „Our House OM10“ solidarisiert sich mit den Ehrenamtlichen und Bewohner_innen der Voigtschule und unterstützt sie in dem Kampf für grundlegende Veränderungen.

Obwohl das Orga-Team „Flüchtlingshilfe ehemalige Voigtschule“ die Stadt schon vor Monaten auf die eklatanten Missstände hingewiesen hatte, hat sich an der menschenunwürdigen Unterbringungssituation seitdem nichts geändert. Stattdessen plant die Stadt zahlreiche weitere Menschen dieser Unterkunft zuzuweisen und so die dortige Lage weiter zu verschärfen. Die Kritik der Helfer_innen wird von der Stadt nach Medienberichten weitgehend zurückgewiesen. Auf die verschiedenen konkreten Forderungen der Ehrenamtlichen geht die Stadt fast gar nicht ein. Sie pickt sich lediglich die Punkte heraus, die für sie ohne Kosten und Aufwand zu erledigen sind: So gibt man sich offiziell dialogbereit und kommt der Forderung nach Einrichtung eines runden Tisches nach. Insgesamt muss man hier den Eindruck gewinnen, dass es der Stadt lediglich darum geht, auf Zeit zu spielen und das Thema ohne wirkliche Zugeständnisse schnell wieder aus der Öffentlichkeit zu holen.

Noch dreister als die Stadtverwaltung agieren die Betreibergesellschaft Bonveno gGmbH und deren Geschäftsführer Michael Bonder. Die Ehrenamtlichen hatten auch Bonveno kritisiert, weil u.a. Bewohner_innen unter Androhung von Sanktionen zu Arbeiten im Gebäude gezwungen werden. Daraufhin diffamierte Bonder das Engagement der Helfer_innen für menschenwürdige Lebens- und Wohnbedingungen als „Platzhirschverhalten“.2

Es zeigt sich eine grundsätzliche Strategie des Umgangs von Betreibergesellschaften und staatlichen Stellen mit ehrenamtlichen Helfer_innen: Solange sie Disziplinierungs- und Abschiebepolitiken nicht in die Quere kommen und sich bezahlte Arbeitskräfte einsparen lassen, sind Ehrenamtliche hochwillkommen. Sobald sie ihr humanitäres Engagement aber so weit verfolgen, dass sie konkreten Maßnahmen offen widersprechen und eigenständige Forderungen erheben, ist man schnell dabei sie abzukanzeln und kaltzustellen.

Wir begrüßen es ausdrücklich, dass das Orga-Team „Flüchtlingshilfe ehemalige Voigtschule“ nun in dieser Weise an die Öffentlichkeit getreten ist. Der Helfer_innenkreis macht in seiner Stellungnahme sehr deutlich, dass sich die Ehrenamtlichen nicht einfach vor den Karren der Politik spannen lassen und zwischen „guten“ und „schlechten“ Geflüchteten unterscheiden. Während die offizielle Politik auf Disziplinierung und schnellstmögliche Abschiebung von Geflüchteten mit „schlechter Bleibeperspektive“ setzt, wollen hier ehrenamtliche Helfer_innen alle Menschen – unabhängig von Herkunftsland und Aufenthaltsstatus – unterstützen.

Zusammen mit den Ehrenamtlichen und Bewohner_innen der ehemaligen Voigtschule werden wir weiterhin für menschenunwürdige Lebensbedingungen kämpfen – und dafür, dass alle Geflüchteten, die bleiben wollen, auch bleiben können.

1Vgl. Pressemitteilung des Orga-Teams »Flüchtlingshilfe ehemalige Voigtschule« vom 15.02.2016: http://omzehn.noblogs.org/files/2016/02/Pressemitteilung_Flüchtlingshilfe_Voigtschule.pdf