Offener Brief:
Die Veranstaltung „Warum man Kinder – auch vor der Geburt – nicht töten darf“ am 23.10.18 in den Räumlichkeiten der Heilsarmee ABSAGEN!
Sehr geehrte Mitglieder_innen der Heilsarmee Göttingen, sehr geehrte Frau Gulde,
wir haben mitbekommen, dass am 23.10 in ihren Räumlichkeiten die Veranstaltung „Warum man Kinder – auch vor der Geburt – nicht töten darf“ stattfindet, nachdem die Universität eben jener Veranstaltung aufgrund politischer Bedenken keine Räume gewährt hat.
Auch wir haben Bedenken: Der Vortrag wird vom ehemaligen Geschäftsführer des KALEB e.V. gehalten. Dieser Verein stellt sich grundsätzlich gegen jede Form der Abtreibung und verbreitet seine Meinung durch Öffentlichkeitsarbeit, Protestaktionen und „Beratungsangebote“. Bei dieser Arbeit nimmt der Verein keine Rücksicht auf die besondere Situation der betroffenen Person, sondern arbeitet in jedem Fall gegen eine mögliche Abtreibung. Dabei ist der Verein, selbst wenn die Schwangerschaft aus einer Vergewaltigung resultiert, für ein Verbot von Abtreibung. Somit wird Frauen, deren Recht auf sexuelle Selbstbestimmung schon einmal gewaltsam verletzt wurde, nocheinmal das Recht auf körperliche Selbstbestimmung abgesprochen.
Wir als OM10 sehen allerdings selbstbestimmtes Leben als eines unserer Hauptideale an. Dabei sind vielfältige Lebensentwürfe mit einbegriffen. Ein Abtreibungsverbot zwingt Frauen in reaktionäre Geschlechterrollen und verurteilt jegliche Lebensentwürfe abseits der bürgerlich-christlichen, weißen Kleinfamilie.
In den Grundsätzen des Vereines Kaleb wird geschrieben, dass sie sich „gegen jede moralische Verurteilung betroffener Frauen“ stellen würden. Wenn Frauen allerdings die Möglichkeit einer Abtreibung in jedem Fall abgesprochen wird, impliziert dies eine moralische Vorverurteilung von Frauen, die sich für eine Abtreibung entscheiden.
KALEB e.V. ist des Weiteren im Bundesverband Lebensrecht organisiert, welcher den alljährlichen antifeministischen „Marsch für das Leben“ organisiert. Dieser Demonstrationszug bietet reaktionären bis rechten Kräften eine Plattform und Vernetzungsmöglichkeit. Dabei wird auch vor Holocaustvergleichen nicht zurückgeschreckt und dieser damit relativiert. Im Vorstand des Bundesverbands Lebensrecht sitzt außerdem Mechthild Löhr, welche der Neuen Rechten zuzuordnen ist. Sie schreibt für die rechte Zeitschrift „Junge Freiheit“ und gehört auch zu den Erstunterzeichner*innen der homosexuellenfeindlichen Marburger Erklärung. Diese Beispiele stehen exemplarisch für die Vernetzung des Vereins KALEB mit der Neuen Rechten.[1]
Der Aktivismus von den selbsternannten „Lebensschützer_innen“ ist scheinheilig, da Abtreibung in Deutschland eine Straftat darstellt und somit schon stigmatisiert ist. Die Akzeptanz von Abtreibung stellt in keinster Weise einen gesellschaftlichen Konsens dar – im Gegenteil: schon das Informieren über Abtreibungsmöglichkeiten führt zu einer strafrechtlichen Verfolgung. [2]
Wie sich an weltweiten Beispielen, wie den Niederlanden, zeigt, führt weder das Verbot von Abtreibung zur dazu, dass Frauen nicht mehr abtreiben, noch führt eine Legalisierung dessen zu gehäuften Abtreibungen.[3] Allerdings mindern legale Abtreibungen das Gesundheitsrisiko für die Betroffenen erheblich, da sie auf ärztliche Unterstützung vertrauen können.
Und deswegen appellieren wir an Sie: Geben sie der Neuen Rechten keine Plattform. Lassen sie die Veranstaltung „Warum man Kinder – auch vor der Geburt – nicht töten darf“ in ihren Räumen ausfallen.
Mit nachbarschaftlichen Grüßen,
Die OM10