Die Broschüre wird in den nächsten Tagen ausgelegt – bitte helft beim Verteilen.
Zeit für eine Zwischenbilanz (Vorwort)
Vor drei Jahren wurde Willard Gondo am 24. Mai 2018 rechtswidrig in Göttingen festgenommen und anschließend abgeschoben. Wegen der Dublin-Verordnung wurde er nach Norwegen verschleppt. Heute kämpft er dort immer noch um sein Bleiberecht und seine Existenz.
Vor drei Jahren versuchten über 100 Menschen, die Abschiebung von Willard durch eine Blockade der Polizeistation Groner Landstraße zu verhindern. Bei ihrem Einsatz haben Polizeikräfte mehrere Aktivist*innen verletzt und einige rechtswidrig ihrer Freiheit beraubt. Die Polizei ermittelte in acht Fällen, gegen sieben Abschiebegegner*innen wurde schließlich Anzeige erhoben. Es kam zu solidarisch begleiteten Gerichtsverhandlungen und juristischem Gezerre. Heute sind alle Verfahren in Freispruch und Einstellung geendet, einer ist noch offen.
Die Festnahme und Abschiebung von Willard, die solidarisch versuchte Verhinderung, die Repression von Polizei und Justiz gegen Einzelne, die Solidarität mit den Betroffenen – ein besonderer Fall. Und eben auch gar nicht besonders. Denn das widerliche Zusammenspiel von Betreibern der Unterkünfte in Göttingen, des Sozialamts, des BAMF, der Ausländerbehörde, der Polizei, der demokratischen Zivilgesellschaft und des Gerichts ist leider noch Alltag. Viele von uns kennen solche Erfahrungen und waren in der einen oder anderen Weise aktiv, betroffen, solidarisch.
Auch wenn es wie so oft ein Abwehrkampf ist, der uns auch diesmal aufgezwungen wurde, der Zeit, Geld und Nerven kostet, teilweise auch einschüchtert und uns vielleicht eine Zeit lang zögern lässt, weiter aktiv zu sein wie zuvor. Der offensive Umgang mit erlebter Repression kann für uns alle ein Moment der Stärke und Solidarität sein. Wir erfahren, dass die finanziellen Kosten gemeinschaftlich abgepuffert werden, dafür gibt es unsere Strukturen. Vor allem aber setzen wir gemeinsam ein Zeichen, dass wir uns nicht einschüchtern lassen und weiterhin politischen arbeiten, um Ungerechtigkeit und Heuchelei nicht hinzunehmen.
Die ständigen und durchsichtigen Versuche von Polizei und Justiz, durch Kriminalisierung unseren Widerstand zu zermürben, kennen wir. Dieser Fall ist ein weiteres Beispiel. Die Anklagen nach der Blockade der Polizeistation lauteten „Hausfriedensbruch, versuchte Körperverletzung, Widerstand, Landfriedensbruch, tätlicher Angriff auf Vollstreckungsbeamte“. Drei Jahre sollten wir uns damit beschäftigen. Das Ergebnis sind nun Freispruch (Kosten trägt der Staat), Ermahnung (Kosten trägt der Staat), Einstellungen gegen Geldzahlung an Ärzt*innen ohne Grenzen, AK Asyl, Niedersächsischer Flüchtlingsrat. Nur in einem Fall kam es nach absurder Argumentation des Amtsgerichts zur Verurteilung – doch Rechtsmittel sind eingelegt und in nächster Instanz schauen wir nochmal. Und auch wenn es anders gekommen wäre: Unsere Solidarität gegen eure Repression!
Im ersten Teil der Broschüre blicken wir mit einem Text von Willard zu seiner Abschiebung sowie Erlebnisberichten vom Blockadetag und Willards Freund*innen zurück auf den Mai 2018. Es folgen Kurzportraits der dreijährigen Kriminalisierung von Aktivist*innen, die sich an der Blockade beteiligt haben. Im zweiten Teil schauen wir zurück und nach vorn, wenn es allgemein und an zahlreichen weiteren Beispielen um die Abschiebepraxis der Stadt Göttingen und den vielfältigen Widerstand dagegen geht.
Unser Kampf gegen den rassistischen und Existenz zerstörenden Normalzustand und für eine solidarische Gesellschaft ohne Nationalgrenzen erfordert Zusammenhalt und Ausdauer. Wir haben beides.