Sehr geehrte Frau Bielefeld , geehrte GT-Redaktion, sehr geehrte Anwohner*innen und Nutzer*innen der nördlichen Innenstadt,
mit Entsetzten haben wir, Bewohner*innen der nördlichen Innenstadt, den Artikel „Drogen, Müll Urin: Anwohner kritisieren Missstände in der nördliche Innenstadt“ zur Kenntnis genommen.
In dem Artikel ist die nördlichen Innenstadt als „neue Problemzone Göttingens“ beschrieben. Wir als Anwohner*innen sehen das anders!
In dem Artikel wird es als Problem dargestellt, dass der Waageplatz ein Treffpunkt für junge geflüchtete Männer ist. Dabei bedient sich die GT-Journalistin Britta Bielefeld rassistischer Bilder. So schreibt sie, dass sich Frauen durch die geflüchteten Männer „beobachtet und latent bedroht“ fühlten. Das Bild von bedrohlichen oder auch sexuell übergriffigen Geflüchteten wird seit einigen Jahren immer wieder aufgegriffen, um Stimmung gegen Geflüchtete zu machen. Solche Bilder sind von Rechtspopulisten bekannt und es geht ihnen nicht darum Frauenrechte zu stärken.
In den letzten Jahren wurde im Bezug auf den Waageplatz immer wieder von „gefühlter Unsicherheit“ gesprochen, die eine stärkerer Polizeipräsenz legitimieren soll. Dass diese Unsicherheit hier selbstverständlich mit Geflüchteten in Verbindung gebracht wird, ist Teil des Problems. Denn dass Geflüchtete immer wieder in Verbindung mit sexualisierter Gewalt gebracht werden, wie auch in Britta Bielefelds Artikel, schafft erst die Vorstellung, dass Geflüchtete besonders gefährlich seien. Wir sehen sexualisierte Gewalt als ein großes Problem in der deutschen Gesellschaft. Die Gewalt geht (meistens) von Männern aus und die Herkunft spielt dabei keine Rolle.
Obwohl selbst Bielefeld zugibt, dass in dem Bereich der nördlichen Innenstadt nicht überdurchschnittlich viele Straftaten verübt werden, listet sie diese haarklein auf, so dass der Leser*in letztendlich dass Gefühl vermittelt wird, es sei ein besonders kriminelles Viertel. Die Polizei nimmt den Zustand der gefühlten Unsicherheit als Legitimation, mehr Kontrollen durchzuführen als in anderen Stadtteilen. Da die Polizei nach rassistischen Kriterien kontrolliert (wie uns von Erfahrungsberichten bekannt ist) werden mehr Straftaten bei Geflüchteten aufgedeckt als bei Deutschen. Wir finden es höchst bedenklich, dass das Leben im Stadtteil stärker von der Polizei kontrolliert werden soll, statt auf das soziale Miteinander zu setzten.
Neben den Geflüchteten werden auch allgemein „Menschen benachteiligter Gruppen“ zum Problem erklärt. Dazu zählen insbesondere Menschen, die wenig Geld haben und laut der Vermietervereinigung nicht ins Stadtbild passen. Das Interesse der Vermietervereinigung, sozial Schwächergestellte und marginalisierte Gruppen aus dem Stadtbild zu „beseitigen“, geht auf ihr Interesse zurück, mit der „Aufwertung“ des Viertels die Mieten zu erhöhen. Das würde die Lebensbedingungen der meisten Menschen, die in der nördlichen Innenstadt leben, verschlechtern oder sie aus der Innenstadt in die Vorstadt verdrängen.
In der nördlichen Innenstadt gibt es eine Menge Menschen und Akteure (z.B. das Bürger*innen-Forum, die OM10) die kein Problem mit den Geflüchteten und den anderen Nutzer*innen des Waageplatz haben! Leider wurde in dem Artikel keine Position erwähnt, die nicht in den rassistischen Tonfall des Artikels passt.
Wenn der Waageplatz zu einem Ort wird, an dem man sich nicht mehr aufhalten kann ohne etwas zu kaufen, die Mieten im Stadtteil steigen und People of Color immer Angst vor Polizeikontrollen haben müssen, wird es für viel Menschen nicht mehr möglich sein, den Waageplatz zu nutzen.
Wir sind für eine soziale Stadt in dem Sinne, dass sich verschiedene Menschen begegnen können und öffentliche Plätze für alle zugänglich sind!
OM10, 05. Februar 2019