Am Freitag, 8. April, haben die Verhandlungen über die Legalisierung des aus einer Besetzung des ehemaligen DGB-Hauses entstandenen Projektes „Our House OM10“ begonnen. Trotz mehrfacher Aufforderung durch Our House war jedoch beim ersten Verhandlungstermin kein*e Vertreter*in des DGB anwesend. Stattdessen erschienen ausschließlich Abgesandte der gewerkschaftseigenen Vermögensverwaltungs- und Treuhandgesellschaft (VTG). Our House hofft, dass der DGB sich zu seiner politischen Verantwortung bekennt und somit zu einer erfolgreichen Verhandlungslösung beiträgt.
Wir begrüßen es, dass die VTG ihre grundsätzliche Bereitschaft zu einer Verhandlungslösung erklärt hat. Allerdings mussten wir feststellen, dass durch die Abwesenheit des DGB eine wichtige Voraussetzung für erfolgreiche Verhandlungen nicht erfüllt war. Wir haben sowohl öffentlich als auch in den Vorgesprächen immer betont, dass wir den DGB nicht aus seiner politischen Verantwortung entlassen und deshalb auch mit ihm verhandeln wollen. Dafür gibt es vielfältige Gründe:
Das Haus steht auf dem Gelände der ehemaligen Synagoge, heute am Platz der Synagoge. Das Grundstück wurde von der jüdischen Gemeinde dem DGB als auch vom NS-Faschismus verfolgte Gruppe weitergegeben. Damit hat der DGB einen politischen Auftrag erhalten, den er nicht einfach an eine primär nach wirtschaftlichen Erwägungen agierende Immobiliengesellschaft abtreten kann. Bis in die jüngere Vergangenheit bot das Haus linke Veranstaltungsräume, in denen z.B. im Wesentlichen die Anti-Nazi-Bündnisse geschmiedet wurden. Sie haben bis heute ihre Wirkung auf den Göttinger Raum.
Zwar hat die VTG im Rahmen des Gespräches erklärt, dass für sie nicht allein ökonomische Kriterien relevant sind. Aus unserer Sicht war es jedoch vor allem das Interesse an einer wirtschaftlichen Verwertung, das wesentlich dazu beigetragen hat, dass das ehemalige Gewerkschaftsgebäude jahrelang leer stand. Dabei handelt es sich nicht um einen Einzelfall. Auch der Umgang der VTG mit Immobilien in anderen Städten deutet darauf hin, dass politische und soziale Belange gegenüber finanziellen Fragen zurückstehen müssen.
Mit der Besetzung haben wir dafür gesorgt, dass das Haus wieder für eine politische und soziale Nutzung zur Verfügung steht. VTG und DGB wussten vom ersten Tag an um die politische Brisanz unserer Aktion und hatten darum auch sofort den DGB-Bezirksvorsitzenden Hartmut Tölle zu uns geschickt. Dass dieser sich mit seinen rassistischen Äußerungen selbst disqualifiziert hat, befreit den DGB nicht davon, eine*n adäquate*n Vertreter*in für die Verhandlungen zu benennen. Eine zukunftsweisende Lösung für das Gebäude kann nur auf einer politischen, nicht auf einer Verwaltungsebene gefunden werden. Wir können und wollen das Gebäude nicht zu Bedingungen übernehmen, die von der Situation am Immobilienmarkt bzw. vorrangig nach ökonomischen Gesichtspunkten bestimmt werden.
Von unserer Seite wird eine Legalisierung des Projektes Our House in der Oberen Maschstrasse angestrebt, die alle Elemente beinhaltet, für die wir seit fünf Monaten streiten und die in der Öffentlichkeit große Anerkennung gefunden haben:
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bezahlbarer, selbst verwalteter und integrativer Wohnraum für Geflüchtete und andere Wohnungssuchende
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sozialer Treffpunkt besonders für Geflüchtete im Zentrum der Stadt
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politischer Raum, um emanzipatorische gesellschaftliche Veränderungen voranzutreiben
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Fluchthilfe für am Bahnhof gestrandete Geflüchtete, die oft genug Opfer von chaotischen bis planlosen Behörden sind.
Wir entlassen den DGB nicht aus seiner politischen Verantwortung und fordern ihn auf, seine verbalen Bekundungen der Solidarität mit Geflüchteten in die Tat umzusetzen. Wir erinnern an die geschichtliche Verantwortung des DGB und wir machen auf die Erwartung großer Teile von gewerkschaftlich Aktiven aufmerksam, die eine konstruktive Rolle des DGB in dieser Auseinandersetzung fordern. Es ist dringend notwendig, dass ein*e Vertreter*in des DGB an den Verhandlungen teilnimmt. Diese Position haben wir im Rahmen des ersten Gesprächs deutlich formuliert und mit der VTG vereinbart, dass diese auf eine Beteiligung des DGB hinwirkt. Wie immer die Legalisierung des Hauses aussehen wird, es wird eine politische Lösung geben, die sich nicht am Markt orientiert.