Welle der Empörung muss sich auch gegen städtische Unterbringungspolitik richten

Die Äußerungen des niedersächsischen DGB-Vorsitzenden zum Projekt „Our House OM10“ und zum Umgang mit Geflüchteten haben zu Recht eine Welle der Empörung ausgelöst. Diese Empörung muss sich nun auch gegen die städtische Unterbringungspolitik wenden, zu der die OM10 einen praktischen Gegenentwurf darstellt.

Es ist skandalös, dass die Stadt gerade reihenweise Massenunterkünfte mit immer niedrigerem Standard plant. Der aktuelle Höhepunkt dieser Planungen ist eine Sammelunterkunft für bis zu 400 Personen in einem ehemaligen Hochregallager direkt an der Autobahn A7. Die Geschäftsführerin des Integrationsrates Birgit Sacher hat hierzu völlig richtig gesagt, dass „ein solches Riesenlager für die Flüchtlinge eine Katastrophe“ ist. Während einerseits lagerartige Einrichtungen in Randlagen errichtet werden, duldet die Stadt weiterhin den Leerstand von Wohnungen und als Wohnraum geeigneten Gebäuden. Gleichzeitig fehlen nennenswerte Aktivitäten, um durch sozialen Wohnungsbau auch langfristig menschenwürdige und bezahlbare Wohnmöglichkeiten für alle Göttinger*innen zu schaffen.

Die OM10 hat sich zum Ziel gesetzt, einen akzeptablen Wohnstandard auch für Geflüchtete und andere von Wohnungsnot betroffene Menschen zu ermöglichen. Es sind die bereits verwirklichten Formen solidarischen und selbstverwalteten Zusammenlebens, die dieses Projekt für Viele so faszinierend machen und zu einer breiten Solidarisierung geführt haben. Diese Wohnform steht allerdings im klaren Gegensatz zur städtischen Unterbringungspolitik, die zu gänzlich unwürdigen Bedingungen, zum Ausschluss vom kulturellen und sozialen Leben sowie insgesamt zur Isolation von der restlichen Bevölkerung führt.

Angesichts der aktuellen Situation erneuern wir unsere bereits bei Beginn der Besetzung erhobenen Forderungen nach einer radikalen Wende in der Wohnraumpolitik und rufen unsere Unterstützer*innen auf, in dieser Frage ebenfalls aktiv zu werden:

Wir fordern die sofortige Nutzbarmachung von leerstehendem Wohnraum. Im gesamten Stadtgebiet existieren etliche Wohn- und bisherige Bürohäuser, die seit Jahren aus spekulativen Zwecken leerstehen oder auf den Umbau zu luxussanierten Wohnungen warten.

Durch gezielte Programme muss zugleich langfristig der Bestand an bezahlbarem Wohnraum erhöht werden. Eine auch auf die Zukunft gerichtete Deckung des Bedarfs an günstigen Wohnungen lässt sich nicht durch eine weitere Förderung privater Investoren sicherstellen, sondern nur, wenn Neu- und Umbauten dauerhaft in öffentlichem Besitz verbleiben. Anstatt verschiedene soziale Gruppen voneinander zu trennen und abzusondern, sind Formen solidarischen Zusammenlebens zu fördern und zu ermöglichen.