Racial Profiling

Redebeitrag der OM10 bei der Gedenkkundgebung für Oury Jalloh am 07.01.21 in Göttingen, bei der 200 Menschen die Kasseler Landstraße blockierten. Alle Fotos von Links Unten Göttingen.

Ein junges Ehepaar mit 2 Kindern fährt mit dem Zug von Mainz nach Köln. Sie möchten einen Tagesausflug machen. Während der Fahrtwurden sie kontrolliert. Gründe wurden keine benannt. Andere Personen wurden nicht kontrolliert.

Die Familie hat Klage eingereicht, weil sie die Kontrolle für racial profiling hielt.  Sie waren die einzigen schwarzen Personen im Abteil. Im Juli 2015 entschied das OVG Rheinland-Pfalz, dass Personenkontrollen, die aufgrund der Hautfarbe vorgenommen werden, unvereinbar mit dem Gleichheitsgrundsatz des Grundgesetzes sind.

Das Urteil hat übrigens ein beliebter Göttinger Anwalt erstritten. Ein ähnliches Urteil hatte er bereits 2012 erreicht. Das ist super, zeigt aber auch die Grenzen dieser Urteile.

Gibt es einen verdächtigen Blick? Ein Gehtempo, das nichts Gutes verheißt? Nach Aussagen der Hamburger Polizei hätten solche Verhaltensweisen Anani K. verdächtig gemacht. Mal hieß es, er habe sich erschrocken umgeschaut, wenn er Polizisten sah. Ein anderes Mal, er habe seinen Schritt beschleunigt. Immer wieder wurde er so kontrolliert. Auch er hat schließlich geklagt und Recht bekommen. Das Verwaltungsgericht hat Identitätskontrollen ohne wirklichen Anhaltspunkt für eine Straftat für rechtswidrig erklärt. Das war 2020.

Das sind nur 2 Beispiele von Menschen, die Opfer des racial profiling der Polizei wurden. Obwohl etliche Gerichte in den letzten 10 Jahren dieses Vorgehen der Polizei für rechtswidrig erklärt haben, findet es immer noch tagtäglich statt. Im Zug, im Bahnhof, auf öffentlichen Plätzen, auf der Straße. Das ist das Problem mit diesen Urteilen. Die Polizei scheißt auf sie. Sie macht weiter wie immer, findet eben andere Gründe. Wenn es nicht die Hautfarbe ist, ist es eben der Gang, der Gesichtsausdruck oder sonst ein Scheiß. Der Großteil der Betroffenen klagt nicht

Schwarze Menschen und People of Color werden nur aufgrund ihrer Hautfarbe und ihres Aufenthaltsortes kontrolliert. Solche Kontrollen machen klar wer zu dieser Gesellschaft gehören soll und wer nicht. Sie machen Menschen of Color gewaltsam zu Fremden und vermeintlich Kriminellen.

“ich würde nie in Jogginghose im Hauptbahnhof unterwegs sein. Ich zieh mir immer eine Jeans an, mindestens. Aber mein Gesicht, meine Hautfarbe kann ich nicht ändern”, sagt ein Betroffener.

Es wird ein Bild inszeniert, dass es schon rechtens wäre, dass bestimmte Leute hier permanent kontrolliert werden und das ist gerade im öffentlichen Raum extrem demütigend, sagt Tahier Della von der Initiative Schwarzer Menschen in Deutschland.

Letztes Jahr, also 2020, hatten viele gedacht, es wird sich endlich was bewegen. Die Europäische Kommission gegen Rassismus und Intoleranz hatte im März einen Bericht veröffentlicht und Deutschland empfohlen, eine Studie zu racial profiling in Auftrag zu geben. Die Kommission zeigte sich besorgt über diese Praxis und verwies auch als Problem auf die verdachtsunabhängigen Kontrollen, die das racial profiling legitimieren. Aber schon im Juli sagte Seehofer diese Studie ab. Er sehe keine Notwendigkeit. Solche Vorkommnisse sind absolute Ausnahmefälle, sagte er dazu. Schließlich sei racial profiling ja auch verboten.

CDU-Innenexperte Armin Schuster sagte dazu, alleine eine solche Studie käme einer Vorverurteilung der Polizei gleich, sei nur eine groteske polittheoretische Wahrnehmung auf der linken Seite. Durch solche Aussagen bekommt die Polizei Rückendeckung von oben und kann unbesorgt weiter machen.

Dabei steigen die Zahlen für verdachtsunabhängige Kontrollen Jahr um Jahr. 2019 gab es fast 3 Millionen davon – drei Millionen! 39% mehr als noch im Vorjahr. Das sind über 8.200 Kontrollen pro Tag! Das Ergebnis? 3.00 unerlaubte Aufenthalte und 16.500 unerlaubte Einreisen. Was für ein Aufwand für Straftaten, die noch nicht mal Straftaten sein dürften. Also 2.980.500 Kontrollen ohne irgendwas, ohne Anlass, ohne Ergebnis.

Ohne Ergebnis zumindest für die Polizei. Für die Betroffenen ist es eine gewaltvolle Situation, die eine Gefahr für die Freiheit und Gesundheit der Betroffenen darstellt. Eine gewaltvolle Situation, die Spuren hinterlässt.

Wie viele von diesen Kontrollen die Göttinger Bullen durchgeführt haben, wissen wir nicht. Aber auch in Göttingen finden sie tagtäglich statt. Ob am Waageplatz, am Bahnhof oder in der Innenstadt. Auch Göttingen ist hier keine Ausnahme.

Deshalb ist es notwendig, dass wir uns in jede Kontrolle, die wir sehen, einmischen!

Wenn ihr eine Polizeikontrolle beobachtet, geht nicht einfach weiter. Es gibt viele Wege sich einzumischen und dabei muss niemand Held_in spielen. Es hilft schon stehenzubleiben und die Bullen gezielt bei ihrer Aktivität zu beobachten, ein Gedächtnisprotokoll zu schreiben, andere Passant_innen auf die Situation aufmerksam zu machen. Es ist auch wichtig sich mit den Betroffenen zu solidarisieren oder die Kontrolle zu stören… Es gibt nicht den einen richtigen Weg, aber haltet euch nicht raus.