Redebeitrag zum Brandanschlag auf die Gosse, 01.11.19
Es ist wirklich schön so viele Menschen hier zu sehen. Wie wir alle wissen, ist Solidarität unsere Waffe. Was gegen rechte Gewalt und strukturelle Diskriminierung einstehen kann, ist eine gemeinsame Bewegung. Denn hier wurde zwar ein Haus getroffen, aber gemeint sind wir alle.
Dieses Mal wurde ein befreundetes Hausprojekt getroffen, doch natürlich kann es auch jedes andere linke Projekt treffen, sei es die OM10, das Juzi, das Rote Zentrum oder die Bürgerstraße 50a. Es war zwar erschreckend am Montag von dem Brandanschlag zu hören, doch gleichzeitig auch ermutigend und ermächtigend zu sehen, wie viele Solidaritätsbekundungen es gab, seien es SMS aus der Rigaer Strasse, Pressemitteilungen aus der gesamten Stadt oder eine große und bunte Kundgebung, die fast in ein kleines Herbstfest mündet, auf dem wir jetzt stehen. Was auch immer die Nazis von Sonntagnacht dazu gebracht hat, eine Bühne im Garten eines linken Hausprojekts anzugreifen. Wir sollten nicht vergessen, dass Brandanschläge auf manche Wohnhäuser häufig verübt werden.
Kurz nach den Landtagswahlen in Thüringen am letzten Sonntag wurde eine Studie von Alexander Yendell an der Uni Leipzig veröffentlicht. Durch repräsentative Umfragen wurde versucht eine ziemlich genaue Vorstellung von den Lebensumständen der AfD-Wähler zu bekommen.
Die manchmal entschuldigende Aussage, dass diese wirtschaftlich benachteiligt werden, wurde dort widerlegt. Es ist eine grundsätzlich fremdenfeindliche Einstellung – besonders gegenüber Muslimen – gepaart mit einer diffusen Angst vor Überfremdung und dem sogenannten Anderen. Das verbindende Element der AfD-Wähler ist Fremdenfeindlichkeit, und eine abstrakten Befürchtung eines vermeintlichen Kulturkampfs, den Rechtspopulisten suggerieren. Laut dieser Studie leiden AfD-Wähler nicht unter existenziellen Nöten. Ihnen geht es wirtschaftlich gut, aber sie haben Angst, dass sich das ändern könnte. Sie fühlen sich ständig benachteiligt, bedroht und flüchten in eine Opferhaltung. Diese Opferhaltung wurde Sonntagnacht umgewandelt in einen Angriff auf Menschen die offensichtlich anders denken.
Warum ist dieser Zusammenhang hier so wichtig? Weil massenhaft Anschläge auf Menschen stattfinden und stattgefunden haben, die nicht aufgrund ihrer politischen Meinung zum Ziel wurden. Anschläge auf Unterkünfte von Geflüchteten, struktureller Rassismus in Institutionen und deutschen Behörden, körperliche und verbale Angriffe auf people of colour, schwarze Menschen oder Sinti und Roma finden permanent statt und haben selten solch eine Öffentlichkeit wie es der Brandanschlag auf die Gosslerstraße 17a hat.
Das Hausprojekt vor dem wir jetzt stehen, ist ein Ort der Vernetzung, der Selbstverwaltung und des Austauschs. Hier kommen Menschen zusammen, die gut vernetzt sind, die viele Ressourcen haben, um sich auszutauschen, zu schützen und Angriffe publik zu machen. Und hier kommen nun viele solidarische Menschen zusammen, um ihre Wut und ihr Entsetzen über diesen Angriff zu zeigen. Lasst uns nicht vergessen, dass es viele Menschen gibt, die angegriffen werden, die diese Ressourcen nicht haben. Lasst uns gemeinsam rechte Gewalt und rechten Terror nicht akzeptieren. Wir werden es nicht hinnehmen, dass Anschläge auf Menschen stattfinden, die nicht in das Weltbild von Nazis passen. Freiheit entsteht als kämpfende Bewegung.