AUFRUF IN GÖTTINGEN GEMEINSAM AUF DIE STRAßE ZU GEHEN AM 14.07.2018 UM 12 Uhr am Wilhelmsplatz
Am 11. Juli wird das Urteil verkündet. Damit endet, nach 5 Jahren, der
Prozess gegen Beate Zschäpe, André Emminger, Holger Gerlach, Ralf
Wohlleben und Carsten Sch vor dem Oberlandesgericht München. Doch der
sogenannte „Nationalsozialistische Untergrund” (NSU), der mindestens 10
Menschen ermordet und 3 Bombenanschläge verübt sowie zahlreiche
rassistische und antisemitische Aktionen durchgeführt hat, war keine
isolierte Zelle aus drei Personen. Der NSU war auch mehr als die 5
Angeklagten vor dem Oberlandesgericht. Ohne militante Nazi-Strukturen
wie Blood and Honour, lokale Kameradschaften oder etwa den Thüringer
Heimatschutz um V-Mann Tino Brandt und Ralf Wohlleben, wäre der NSU so
nicht möglich gewesen. Die Aufklärung dieser Strukturen im Rahmen des
Prozesses wurde von der Bundesanwaltschaft konsequent unterbunden.
Deswegen sagen wir: es darf keinen Schlussstrich geben!!!
WIR WOLLEN WISSEN, WER FÜR DIE MORDSERIE, DIE ANSCHLÄGE UND DEN TERROR IM GANZEN AUSMAß VERANTWORTLICH IST.
WIR WOLLEN AUCH DIE ABSCHAFFUNG DES VERFASSUNGSSCHUTZES. Trotz planmäßiger Vernichtung relevanter Akten; trotz der äußerst fragwürdigen
Rolle des Verfassungsschützers Andreas Temme, der sich im Internetcafé
Halit Yozgats aufhielt, als dieser ermordet wurde, und angeblich nichts
bemerkt haben will; trotz V-Mann Piatto, der schon 1998 wichtige
Hinweise über die untergetauchten Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe
weitergab; trotz Ralf Marschner, der als V-Mann Primus im Kontakt mit
den Untergetauchten gestanden haben soll…trotz über 30 V-Leuten im
Umfeld des NSU -trotz alledem und vielem mehr konnte der
Verfassungsschutz nicht nur seine gesellschaftliche Reputation
wiederherstellen, sondern sogar seine Befugnisse ausweiten.
Nazis sind auch ohne Gelder, Aufbauarbeit und logistische Unterstützung
des Geheimdienstes gefährlich genug. Mindestens diese Lehre sollte aus
dem NSU gezogen werden.
UND WIR WOLLEN ENTSCHÄDIGUNG FÜR DIE BETROFFENEN, ÜBERLEBENDEN UND HINTERBLIEBENEN SOWIE DIE WÜRDIGUNG IHRER PERSPEKTIVE IN DER DEBATTE. Es war gerade auch das Umfeld der Mordopfer, das früh darauf bestand, eine rassistische Motivation für die Taten in die Ermittlungen einzubeziehen. Etwa auf den Schweigemärschen in Kassel und Dortmund, die unter dem Motto „Kein 10. Opfer!” die Aufklärung der Mordserie forderten.
Stattdessen aber richteten sich die Untersuchungen vornehmlich gegen das
Umfeld der Opfer und Betroffenen. Es waren rassistische Ressentiments
bei Polizei und Sicherheitsbehörden, welche die Ermittlungen in die Irre
führten, es waren rassistische Klischees, die Presseberichterstattung
und Öffentlichkeit dazu brachten, die fantastischen Erzählungen von
mafiösen und kriminellen Verstrickungen der Betroffenen zu verbreiten.
Opfer und Betroffene wurden kriminalisiert, stigmatisiert, dadurch
isoliert und der nötigen Unterstützung und Anteilnahme beraubt.
WIR MÜSSEN ÜBER RASSISMUS REDEN. Diese Gesellschaft hat ein
Rassismusprojblem, und zwar ein gewaltiges!! Rassismus wird dabei
fälschlicherweise oft nur bei klassischen Neonazis verortet. Doch ebenso
findet sich Rassismus jenseits der sogenannten neuen Rechten, die sich
hinter den Bannern von AfD, Pegida und Konsorten versammeln. Rassismus
findet sich in Ämter- und Behördenpraxis, Polizei- und Sozialarbeit –
der Art wie gesellschaftliche Ressourcen und Teilhabe verteilt werden.
Rassismus findet sich in marktschreierischen Wahlkampfauftritten wie
auch in subtil und vornehm formulierten Leitartikeln. Rassismus zieht
sich durch die ganze Gesellschaft: Weil die Gesellschaft, wie sie
derzeit eingerichtet ist, Hierarchie, Ausbeutung und Ausgrenzung
zwingend hervorbringt und legitimieren muss. Weil eine von Herrschaft
durchzogene Gesellschaft, in der Ressourcen und Positionen ungleich
verteilt und umkämpft sind die Abwertung anderer sogenannter Kulturen
benötigt. Weil die „eigene” Identität stabilisiert wird, indem negative
Elemente auf die Projektion der „Anderen” abgewälzt werden.
WIR WEHREN UNS GEGEN RASSISTISCHE STIMMUNGSMACHE UND GEWALT. Der NSU war nicht die erste Neonazi-Terrororganisation und es sieht auch nicht so aus, als sei er die letzte gewesen. In den letzten Monaten laufen und
liefen mehrere Prozesse gegen Zusammenschlüsse wie die „Oldschool
Society” oder die „Gruppe Freital”. Immer neue gewaltbereite rechte
Organisierungsansätze sprießen regelrecht aus dem Boden. Die Zahl der
Brandanschläge und rassistisch motivierten Übergriffe ist in den letzten
Jahren gravierend angestiegen. Und während sich der nette Herr von
nebenan im Internet mit „Migrantenschreck” genannten Schusswaffen
eindeckt, legen die Entscheidungsträger*innen mit dem Abbau des
Asylrechts, neuen Integrations- und Polizeigesetzen sowie
menschenverachtenden Deals zur Abschottung Europas vor, setzen
Ausländerbehörde und das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge auf
Abschreckung, werden Sammelabschiebungen auf den Weg geschickt,
Abschiebelager hochgezogen und die allgemeine Medienlandschaft bedient
rassistische Stimmungsmache.
NACH FÜNF JAHREN LÄSST SICH EIN FRUSTRIERENDES FAZIT ZIEHEN. Noch immer wird rechte Gewalt verharmlost und rassistische Polizeigewalt
tot-geschwiegen, noch immer darf sich der Verfassungsschutz als
Beschützer inszenieren, noch immer ist es nötig auf den institutionellen
und gesellschaftlichen Rassismus in Deutschland hinzuweisen, wie es
Selbstorganisierungen von Betroffenen nicht erst seit gestern tun. Es
wurden von Seiten der Mehrheitsgesellschaft keine erkennbaren Lehren aus
dem NSU gezogen. Höchste Zeit also, dass sich das ändert!!!
VERFASSUNGSSCHUTZ AUFLÖSEN! DEM RASSISTISCHEN TERROR GEGEN GEFLÜCHTETE UND MIGRANTINNEN ENTGEGENTRETEN! RASSISMUS IN BEHÖRDEN UND GESELLSCHAFT BEKÄMPFEN!
Zum Tag der Urteilsverkündung mobilisieren Selbstorganisierungen von
Betroffenen und zahlreiche weitere Gruppen und Menschen nach München.
11.7.18 / 8:00 KUNDGEBUNG / 18:00 DEMO IN MÜNCHEN
Am Gericht (Nymphenburger Straße 16)