Am 19. Juli haben sich 50 ZuschauerInnen in der OM10 eingefunden, um den nordindischen Kathak-Tanz ganz nah zu erleben. Eröffnet wird der Abend von einer Mädchen-Tanzgruppe. Die 15 geflüchteten Mädchen im Alter von 6-16 Jahren sind mit ihren Familien in verschiedenen Unterkünften in Göttingen untergebracht. In neun Workshoptagen haben sie mit der Tanzlehrerin Ghazal Ramzani einige Grundlagen des Kathak kennengelernt. Musikalisch begleitet werden sie heute bei ihrem Auftritt von Prabhat Das, einem versierten Tabla-Spieler. Er sitzt in traditionellem Gewand an der Seite der Bühne auf dem Boden und spielt zwei kleine Trommeln mit seinen Händen und Fingern.
Als die Mädchen den mit indischen Tüchern geschmückten Saal betreten, tragen sie bunte Gewänder und wie ihre Tanzlehrerin kleine Glöckchen an ihren Füßen. In ihrem Tanz erzählen die Mädchen von Begebenheiten des Alltags, sie pflücken Blumen, kämmen sich das Haar. Daneben zeigen sie aber auch sehr rhythmische Elemente, die Mädchen tanzen mit ihren Füßen die für Kathak typischen 10er-Figuren. Drei Mädchen, die offenbar nur einige Tage am Workshop teilnehmen konnten, kommen mitten im Tanz dazu und fügen sich wie selbstverständlich ein. Die jüngste Teilnehmerin bleibt neben dem Tabla-Spieler hocken und spricht ab und zu komplizierte Rhythmen mit, tikitaktaktikitiki… Erstaunlich, was sich die Mädchen in so kurzer Zeit erarbeitet haben. Als ihr Tanz endet ist das Publikum außer sich, es wird gejohlt und es gibt einen sehr langen Beifall – die Mädchen strahlen.
Nun gehört die Bühne Ghazal Ramzani und Prabhat Das. Das Duo, welches nicht nur in Indien als Teil des Kalatva Collective auftritt und bewusst mit klassischen Rollen im Kathak bricht, zeigt Ausschnitte aus seiner Produktion „Die Teilung der Erde“ nach einer Ballade von Schiller. In der Mitte ihres Programms geben sie Einblicke in traditionelle Tanz- und Rhythmus-Sequenzen. Dabei erklärt Ghazal Ramzani dem Publikum auch, was typisch an Kathak ist, wie sie sich durch rhythmisches Sprechen mit ihrem Partner an den Tablas musikalisch verständigen kann. Doch dann der Tanz, das Tabla-Spiel, wunderbar. Ghazal Ramzani, ganz in schwarz gekleidet, tanzt mit starkem Ausdruck, mit Präzision und Eleganz. Manchmal sind es nur kleine fließende Bewegungen mit ihren Händen, dann ein Feuerwerk mit ihren Füßen oder schwindelerregende Drehungen. Prabhat Das ist ganz bei seiner Partnerin, er spielt virtuos, begleitet und interpretiert den Tanz und gibt gleichzeitig mit seinen Tablas das musikalische Fundament. Oft ist für das Publikum gar nicht klar, ob nun die Tänzerin oder der Tabla-Spieler vorgibt, beide sind musikalisch ganz verschmolzen.
Für den begeisterten Schlussapplaus kommen die Mädchen noch einmal mit auf die Bühne. Es gibt Blumen und viele Dankesworte an alle, die den Workshop und die Aufführung möglich gemacht haben. Während draußen ein Gewitter aufgezogen ist, bleiben die Mädchen, die KünstlerInnen und das Publikum noch lange bei köstlichem Buffet und Getränken im Saal der OM10 zusammen – es gibt an diesem zauberhaften Abend noch viel zu erzählen.