In 2018 ist es der Stadt gelungen, mit der nördlichen Innenstadt in das Bundesprogramm „Soziale Stadt“ aufgenommen zu werden und entsprechende Mittel zu akquirieren. Anfang 2019 wurden dann „Vorbereitende Untersuchungen mit integriertem Entwicklungskonzept“ in Auftrag gegeben, um konkrete Maßnahmen für das Gebiet zu entwickeln. Darin waren ebenso 60 000 Euro für eine „Machbarkeits- und Wirtschaftlichkeitsstudie zur Nachnutzung der ehemaligen JVA“ vorgesehen, wie auch 5,6 Millionen für daraus resultierende „Sanierung und Umbaumaßnahmen“. Das ist nachvollziehbar, schließlich hat die Stadt das Gebäude ja seinerzeit für schmale 50 000 Euro vom Land gekauft, um es für kommunale Zwecke zu entwickeln.
Während wir noch immer gespannt auf die Studie warten, die 2019/2020 erstellt werden sollte (Vorsicht: Déjà-vu-Gefahr), soll das Gebäude jetzt aber plötzlich verkauft werden. Nun mag der Verkauf, angesichts eines Baudezernats, das nichts auf die Kette kriegt, vielleicht im Sinne einer überforderten Verwaltung sein; nur ist es natürlich weder im Sinne von „Soziale Stadt“ und schon gar nicht in dem der Menschen des Quartiers, wenn das Herzstück des sozial zu entwickelnden Viertels an einen kommerziellen Nutzer geht. Und ich frage mich außerdem, wie man dann noch den angrenzenden Waageplatz im Sinn von „Soziale Stadt“ gestalten will. Da sind doch Konflikte mit der Trafo Hub GmbH vorprogrammiert, die einlädt, sich mit „deinen Kunden in repräsentativem Ambiente“ zu treffen. Im Entwicklungskonzept von 2019 sind übrigens auch 100 000 Euro für „Maßnahmen gegen soziale Verdrängung“ vorgesehen. Witz, du bist umzingelt.
Es ist ein offenes Geheimnis, dass die JVA für einen niedrigen sechsstelligen Betrag verkauft werden soll, wobei die Stadt ihren Gewinn aus An- und Verkauf noch mit dem Land teilen müsste; ein großer Reibach wäre der drohende Deal also wirklich nicht. Daher fragt man sich umso mehr, warum hier mal wieder ein städtisches Gebäude ohne echte Not an einen Investor gehen soll, zumal es direkt gegenüber der JVA einen äußerst erfolgreichen Akteur der nördlichen Innenstadt gibt, nämlich das Hausprojekt „OM 10“, das für die JVA bereits ein Kurzkonzept im Sinne des Programms „Soziale Stadt“ vorgelegt hat. Die „Vorbereitenden Untersuchungen“ bescheinigen den Leuten der „OM 10“ übrigens ein „vielfältiges und anhaltendes Engagement für das Quartier“ und empfehlen ausdrücklich die Zusammenarbeit „gilt es doch, das Gebiet gemeinsam mit seinen Nutzer/innen und Bewohner/innen weiterzuentwickeln“. Warum beauftragt die Stadt eigentlich erst eine Untersuchung, wenn sie dann deren Ergebnisse ignoriert?
Lars Wätzold
Quellenangabe: Göttinger Tageblatt vom 12.02.2022, Seite 9